dt64 – Dance Hall – 23. Februar 1991 – Berlin Special Vol. 1 (Tanith, Dick, Rokki, Marcos López) by Marcos López on Mixcloud
Berlin Special Volume 1 — mit Interviews von Tanith, Dick, Rokki und Marcos López. Die Komplette Sendung aus dem Februar 1991. Mit persönlichen Anmerkungen vom Februar 2014, um das Umfeld der Sendung näher zu erläutern.
Background | Nachdem ich 1988 in einer Berliner Ku’damm-Diskothek begonnen hatte eine Mischung aus Pop-, Dance und House aufzulegen – ich veranstaltete im März und April 1989 zwei in der B.Z. (Berliner Zeitung) mit dem typischen Smiley beworbene House-Parties – wechselte ich 1990 zu Joe in der Hasenheide, eine futuristische Großraumdiskothek des gleichen Besitzers, in der Hasenheide am Hermannplatz in Berlin-Neukölln, die mit Glitzerkram, Lasern und hunderten von Spiegeln über drei Ebenen verteilt war.
Zu der Zeit war ich Student an der Freien Universität Berlin, mittlerweile im vierten Semester der Kommunikationswissenschaften. Meine Schwerpunkte waren Journalismus, Film – und Hörfunk. Ja, das Radio war von früh an meine große, große Leidenschaft. Bereits als Kind hatte ich früh angefangen, meine eigenen Tapes aus Radiomitschnitten zusammen zu stellen. Mit Kopfhörern schlief ich des öfteren ein, wenn ich die Radionächte on air verfolgte, oder meinen aufgenommenen Kassetten lauschte. Meine Mutter wickelte mich in der Nacht wieder aus dem Kopfhörerkabel, damit ich mich nicht strangulierte. Tagsüber trällerte ich die Popsongs. Hier wollte ich unbedingt hin, ins Radio: eine Chartsendung moderieren, eine eigene Show machen, das war mein Ziel. In Berlin, wohin ich aus der hessischen Provinz namens Stadtallendorf zum Studium gezogen war, entdeckte ich in der noch geteilten Stadt den SFB2 vom Sender Freies Berlin für mich. Mama Mia, was für’n Schlaraffenland…
Von Anfang an verfolgte ich hier (in Wilmersdorf wohnend, am Adenauerplatz, in der Xantener Straße) die fantastischen SFB2-Sendungen von Monika Dietel und Barry Graves. Die unwiderstehliche Moderation von Monika, das Know-how von Barry und die dort gespielte Musik sorgte regelmäßig für wildes Herzklopfen und Pulssprünge. Ich war total fasziniert vom Sound, besorgte mir in Berliner Plattenläden die gehörten Platten, und als ich schließlich einen Trailer für eine Party namens Tekknozid im Dezember 1990 hörte, war es dann um mich geschehen: ich musste da hin – meine tekknoide Initiation stand bevor.
Gesagt, getan! Ich besuchte also im Haus der jungen Talente (HDJT) meine erste richtige Tekkno-Party. Was ich dort erlebte, was ich sah und hörte, könnte ein langes Kapitel füllen: Musik wie von einem anderen Planeten, Monstersound, Neon-Stäbe, Trillerpfeifen, euphorisierte Tänzer und eine Energie im Raum, die mit den bloßen Händen zu fassen war. Abgekürzt: es war grandios, überwältigend, absolut geil…
Auf dieser Party lernte ich dann einen Redakteur aus dem Jugendradio dt64 kennen, Frank Menzel. dt64 kam aus dem Osten unserer Republik und war der Versuch mit eigenem Programm und eigenen Inhalten den Jugendlichen des sozialistischen Landes eine eigene Identität zu bieten, ein Medium der Identifikation zu schaffen. Zur Erinnerung: Die Mauer war erst vor vierzehn Monaten gefallen und Deutschland erst seit knapp drei Monaten wiedervereint.
Frank Menzel, wuselig, umtriebig, neugierig, interessiert und engagiert, wurde mir von William Röttger vorgestellt, dem damaligen Manager von WestBam und Low Spirit: William hatte ich schon einige Zeit vorher kennen gelernt, da ich bereits als freier Mitarbeiter für RIAS Berlin und den SFB diverse Beiträge u.a. über WestBam, die DJ-Kultur und zum Thema House Music gemacht hatte. Zu dem Zeitpunkt, also Dezember 1990, hatte ich bereits zwei Probemoderationen für den RIAS hinter mir (1989/99). Es reichte aber noch nicht für das Mikrofon. Ich war noch zu aufgeregt vor dieser silbernen Büchse. Schon so dicht vor dem eigenen Traum zu stehen, nur noch zupacken und loslegen, das muss man erstmal hinbekommen…
Als Frank und ich auf der Party im HDJ miteinander redeten, spitzte er interessiert die Ohren; er hielt offenbar nach so jemanden wie mir Ausschau: journalistischer Background, DJ in der großen Stadt, Lust auf Moderation und offensichtlich partytauglich. Vielleicht sah er auch nur meine brennende Leidenschaft für Musik und Radio, oder er hatte ein gewisses Gespür dafür, dass ich Talent für den Job haben könnte. Jedenfalls lud er mich mit einem Telefonat Anfang 1991 zu einer Probemoderation ins Funkhaus in der Nalepastraße ein.
Auch hier könnte man nun auch ein ganzes Kapitel über diesen einen Tag, dieses besondere Erlebnis schreiben, wie es ist, wenn man als Westberliner Publizistikstudent in seinem weißen VW Passat über die ehemalige Grenze an der (noch heute) ewigen Ostkreuz-Baustelle hoppelte, um in der Nalepastraße zu parken, am Wärterhäuschen und seinen Männern vorbeizugehen, die so aussahen, als säßen sie schon seit 1978 da und für den Rest ihres Lebens ebenso, um dort, in diesem Sendehaus, eine Probemoderation zu machen. Genau da, wo die SED, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, die DDR über 40 Jahre lang mit ihrer Verlautbarungspolitik ‚bestrahlt‘ und zentral angeleitet hatte, es keine wirkliche freie Meinungsäußerung gegeben hatte, sondern Agitation und Propaganda. Ich, der halbdeutsche Kleinstadtjunge aus der Schweiz und Spanien, saß nun vor diesem Mikrofon in Ostberlin und machte eine sogenannte Null-Sendung, eine Sendung unter Live-Bedingungen, welche nicht ausgestrahlt wird, und die ich aus meinen eigenen mitgebrachten Platten zusammengestellt hatte. Frank hatte mich für eine eventuelle Moderation der Mittagsdiskothek Step On angedacht – und so kam es dann auch…
Ab Januar 1991 moderierte ich im Wechsel mit Thomas Hehde Step On zwischen 13:00 und 14:00 Uhr. Es war eine irre Zeit! Ich besuchte also noch die Uni, moderierte Step On, legte bei Joe in der Hasenheide auf, hörte ‚Moni D‘ im Radio und ging auf die abgefahrensten Tekkno-Parties der Stadt (die oft von Wolle Neugebauer organisiert waren). Oder ich ging in den Tresor, wo ich ab Oktober 1991 dann selber regelmäßig auflegen sollte, im Globus (und den ich als offiziellen House Club eröffnen durfte, denn bis dato lief ‚da oben‘ alles mögliche).
Mit dieser Vorgeschichte wurde ich im Februar 1991 von Marusha in ihrer Dance Hall mehr oder weniger als Exot vorgestellt, denn Joe in der Hasenheide hatte natürlich zunächst nichts mit dem Berliner Underground zu tun. Allerdings hatte der Berliner Underground mit Joe in der Hasenheide zu tun, denn was ich mittlerweile auf den zahlreichen Parties erlebt hatte, im Tresor, auf After Hours und privaten Chill Outs ging auf der musikalischen Ebene nicht spurlos an mir vorüber, sondern sickerte mehr und mehr auch in mein musikalisches Repertoire der Großraumdiskothek am Herrmannplatz hinein. Ich konnte auch gar nicht anders; die Musik war einfach zu geil, und die Leute in der Hasenheide bekamen das zu hören – und zu spüren.
Im Herbst 1991 beendete ich meine fast vierjährige Zusammenarbeit mit Joe, widmete mich dt64 und dem für mich auf mehrere Sendungen angewachsenen Programm, das ich dort moderativ und als DJ zu bewältigen hatte (Step On, Deutsche Dance Charts, Nightflight, Spätvorstellung), um dann als Resident im Globus des Tresors voll einzutauchen: in diese Parallelwelt der Nacht aus nicht enden wollenden Parties, dem irrsten Sound des Planeten und tausenden großen und kleinen Abenteuern, auf die noch an anderer Stelle vielleicht eingegangen werden kann…
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